Die Tierhaltung ist ein prägendes Thema des aktuellen Landwirtschaftsjahres, im Herbst kommt die Massentierhaltungs-Initiative vors Volk. Der Schweizer Bauernverband stellte das
Tierwohl in den Mittelpunkt seiner Jahresmedienkonferenz.

Höchstbestandesgrenzen, strengere Vorgaben an Platzverhältnisse und Anforderungen an Haltungssysteme: Die Schweizer Tierschutzgesetzgebung gilt als strengste der Welt. Hinzu kommen verschiedene Programme und Labels, die mehr als das gesetzliche Minimum fordern. Dennoch steht auch die Nutztierhaltung in der Schweiz immer wieder in der Kritik. So etwa bei den Initianten der Massentierhaltungs-Initiative, die künftig Bio-Standards fordern. Aus mehreren Gründen sei diese Initiative unnötig, sagte SBV-Präsident Markus Ritter an der Jahresmedienkonferenz des
Bauernverbandes auf dem Schweinezuchtbetrieb von Marianne und Franz Guillebeau in Lanzenhäusern (BE). So sei auch die Produktion gemäss Minimalanforderungen des Tierschutzgesetzes im Vergleich zum Ausland keine Massentierhaltung, zudem profitiere ein grosser Anteil der Schweizer Nutztiere von weitergehenden Anforderungen. Das geforderte Angebot bestehe also bereits und könne von den Konsumentinnen und Konsumenten genutzt werden, so Ritter. Das geschieht aber nur in eingeschränktem Rahmen. So könnten die Schweineproduzenten deutlich mehr Labelfleisch liefern, als in den Läden nachgefragt wird.

Deutlich weniger Antibiotika Schweinezüchter Franz Guillebeau, der für das Lidl-Label Terra Natura produziert, betonte die Fortschritte in der Schweinehaltung: «Es war immer meine Motivation, den Betrieb so zu entwickeln, dass die Tierhaltung besser wird und dass wir dies der Bevölkerung auch zeigen können.» Freies Abferkeln, eine Vernebelungsanlage zur besseren Klimatisierung oder eine elektrische Kratzbürste sind einige der Massnahmen, die er auf seinem Betrieb eingeführt hat. Zudem habe er den Antibiotikaverbrauch in den letzten Jahren um 90 Prozent senken können, unter anderem durch gute Genetik, Schutzimpfungen oder den Einsatz ätherischer Öle.

Bedingungen erfüllt – aber zu wenig Platz
Er sieht seinen Betrieb durch die Massentierhaltungs-Initiative gefährdet. «Ich erfülle auf meinem Betrieb aktuell eigentlich alles, was die Massentierhaltungs-Initiative verlangt – bis auf einen Punkt: Ich kann baulich und aus Platzgründen bei den Abferkelbuchten keinen Auslauf bieten», so Guillebeau. «Darum bedeutete ein Ja bei der Massentierhaltungs-Initiative für meinen Betrieb Lichterlöschen. Und das Problem würde bereits am Montag nach der Abstimmung seinen Anfang nehmen und nicht erst nach der Übergangsfrist von 25 Jahren. Denn der Betrieb hätte nach der Abstimmung nur noch die Hälfte an Wert, und wer will so einen Betrieb dann noch kaufen und übernehmen?» Er zeigt sich aber guter Dinge, dass die Bevölkerung die Errungenschaften schätzt: «Wer meine Schweine beispielsweise unter der Kratzbürste beobachtet, kann sehen, dass es ihnen gut geht. Wenn wir unseren Job gut machen und der Bevölkerung vermitteln können, wie wir unsere Tiere halten und umsorgen, dann ist das Problem der Abstimmung lösbar.» «Wir dürfen sagen, ohne zu übertreiben, dass unsere Nutztierhaltung weltweit ihresgleichen sucht», sagte Michel Darbellay, Leiter Produktion, Märkte & Ökologie des SBV. So kenne etwa die EU keine Tierschutzvorschriften für Kühe, Schafe oder Ziegen. Oder in Deutschland lebten 79 Prozent der Schweine auf Vollspaltenböden, während diese Haltung in der Schweiz verboten sei. Und die in der Schweiz schon jahrzehntelang verbotene Käfighaltung der Legehennen, die weltweit aber die mit Abstand verbreitetste Haltungsform ist.

Veredelung durch Tiere nötig
«Die Bauernfamilien stehen nicht auf der Bremse, sondern nehmen die Bedürfnisse der Tiere und der Bevölkerung ernst», meinte auch SBV-Direktor Martin Rufer. Er verwies dabei auf die freiwilligen Tierwohlprogramme, die je nach Tierart und Programm breit bis flächendeckend eingesetzt würden. Rufer betonte auch die Bedeutung der Nutztierhaltung für die Schweiz. «Nur 30 Prozent der Landwirtschaftsflächen eignen sich für den Acker-, Gemüse- oder Obstbau», so Rufer. Der Rest könne nur über die Veredelung durch Tiere genutzt werden. Also etwa über die Kuh, die Milch, Käse und Fleisch liefert. Zudem produzieren die Tiere Gülle und Mist. Ohne diesen Hofdünger müsste voll auf Kunstdünger gesetzt werden. «Keine Nutztiere zu halten ist also auch aus ökologischer Sicht nicht sinnvoll», so Rufer. 

«Initiative hat schweren Stand»
Markus Ritter auf jeden Fall ist guter Dinge, dass die Initiative abgelehnt wird. «Die Initiative wird einen schweren Stand haben», so der SBV-Präsident. Denn die Initiative fordere in der Schweiz und für Importe den Bio-Standard. Das habe 30 bis 40 Prozent höhere Preise zur Folge. «Das wollen und können sich
viele nicht leisten», so Ritter. Und er sieht in der Initiative gar eine Chance: «Auch wenn sich die Schweizer Landwirtschaft erneut einem Abstimmungskampf stellen muss, so stellt dies doch auch eine Chance dar: Wir haben die Möglichkeit, aufzuzeigen, wo die Schweizer Landwirtschaft und das hier geltende Tierschutzgesetz im internationalen Umfeld stehen. Wir können aufzeigen, dass wir besser sind, wo und warum wir besser sind und wie unsere Bäuerinnen und Bauern mit ihren Nutztieren umgehen.»