In Rothenhausen bei Weinfelden liegt der Hof von Familie Ziegler. Sie betreiben Milchwirtschaft und Ackerbau und in einem grosssen Stall wird Geflügel gemästet. Doch was heisst das genau? Wie muss man sich die Geflügelmast eigentlich vorstellen? Hofbesitzer Silvan Ziegler hat uns hineinsehen lassen.

 

Der Hof Thurrain liegt fast schon idyllisch nahe an der Thur, der angrenzende Wald schützt das Haus im Sommer vor der Hitze und spendet etwas Schatten. Im kleinen Hofladen findet man saisonale und selbstgemachte Leckereien, welche Lust machen auch mal etwas Neues zu probieren. Silvan Ziegler erwartet uns bereits und nachdem wir die Strasse überquert haben, zeigen drei Futtersilos an, dass hier Tiere untergebracht sind. Daneben steht eine riesige Halle, die sogenannte Geflügelmasthalle. «Die Tiere kommen aus einer Schweizer Brüterei als Eintagsküken zu uns, mit einem Gewicht von 30 bis 35 Gramm», erklärt Silvan Ziegler. Dabei handle es sich um männliche und weibliche Tiere.

 

Eiweissreiche Ernährung
Der Stall ist auf 33 °C geheizt, denn die Tiere brauchen Wärme. Wasser und Futter werden automatisch zugeführt und stehen zur freien Verfügung. Die Tiere erhalten ein eiweissreiches Fertigfutter, bestehend aus Mais, Weizen und Soja. «Sie bleiben 30 bis 36 Tage bei uns, danach werden sie in einen Schlachtbetrieb transportiert und geschlachtet», so Ziegler. Insgesamt 24 000 Küken leben hier auf 1300 Quadratmetern. Was im ersten Moment nach einer unwahrscheinlich hohen Zahl klingt, entpuppt sich nach dem Öffnen des grossen Tores völlig anders. Die Halle ist so gross, dass man nie vermuten würde, dass sich hier so viele ganz kleine Küken tummeln. Ausserdem gelten in der Schweiz sehr strenge Vorschriften für Geflügelmastställe.

 

Strenge Auflagen
Ein Quadratmeter darf höchstens mit 30 kg Tiergewicht ausgelastet sein. In Deutschland beträgt diese Auslastung 39 kg (+33), in den Niederlanden und in den EU sogar 42 kg, je nach Programm. Die Höchstzahl Tiere für einen Betrieb beträgt in der Schweiz je nach Art der Geflügelmast zwischen 24 000 und 27 000 Tiere. Auch müssen sie Tageslicht erhalten, was beispielsweise im Ausland nicht der Fall ist. «Unser Stall entspricht zudem den Anforderungen der besonders tierfreundlichen Stallhaltung BTS. Das heisst, es gibt u.a. erhöhte Sitzgelegenheiten und 20 % der Stallfläche ist Auslauf, dort dürfen sich die Tiere ab dem 22. Tag aufhalten, sofern die Temperatur über 13 ° beträgt», erklärt Silvan Ziegler.

 

Regelmässige Kontrollen
Schweizer Betriebe würden regelmässig kontrolliert werden, somit sei auch gewährleistet, dass die Vorschriften eingehalten werden. «Wir haben die strengsten Tierschutzvorschriften, die es gibt». In Brasilien oder anderen Ländern, wo hunderttausende Tiere in viel zu kleinen, dunklen Ställen untergebracht sind, würden oft zu wenige bis gar keine Kontrollen stattfinden. Und auch das sei Fleisch, welches bei uns auf den Tellern lande. Sowieso: «Die Eigenversorgung mit Schweizer Geflügelfleisch beträgt 60 %. Die Frischfleischversorgung kommt aus der Schweiz, Tiefgefrorenes meist aus dem Ausland», so Ziegler. 

Organisierte Geflügelmast
Der Schweizer Geflügelmastsektor ist eine Integrationsmast. Es gibt vier Player auf dem Markt, zum einen die zwei grossen Schlachtbetriebe von Migros und Coop sowie Frifag und Kneuss. Die Produzenten haben dadurch zwar einen gesicherten Preis, unternehmerisch sind ihnen aber quasi die Hände gebunden. Man nennt das Vertragsmast. «Man braucht einen Verarbeiter, der die Tiere abnimmt. Den Stallbau finanziert der Produzent. Der Abnehmer liefert danach die Tiere und das Futter an und nach der Schlachtung wird abgerechnet.

 

Sehr gute Haltung
Zieglers Geflügelherde gehört zu den grösseren in der Schweiz. Geht es den Tieren, welche in dieser Grössenordnung in einem Stall untergebracht sind, wirklich gut? «Ja, davon bin ich überzeugt», antwortet er. «Wenn ich die Tiere beobachte, sehe ich, dass es ihnen gut geht. Dank unseren Tierschutzgesetzen und den verschiedenen zusätzlichen Tierwohlprogrammen wie erhöhte Sitzgelegenheit oder Auslauf im Aussenklimabereich, geniessen die Nutztiere in der Schweiz sogar eine sehr gute Haltung».

500 Tiere pro Stall
Voraussichtlich Ende 2022 kommt es zur Abstimmung über die Massentierhaltungsinitiative. Darin wird unter anderem gefordert, dass in der Ausmast nur noch 500 Tiere pro Stalleinheit gehalten werden dürfen. Völlig kontraproduktiv, findet Ziegler. «Das würde bedeuten das ich viel mehr Ställe haben müsste und zudem nur noch rund 1/3 meiner Tiere halten könnte. Das heisst auch Landverlust und immens höhere Kosten. Dann kann ich aufhören damit». Unter diesen Umständen würde in der Schweiz praktisch fast kein Geflügel mehr gemästet werden und somit der Import von Fleisch, welches aus wirklicher Massentierhaltung kommt, gefördert werden. Das wäre völlig kontraproduktiv. «Ich wünschte mir schon ein bisschen mehr Weitsicht bei solchen Initiativen», sagt Ziegler. «Das würde die Massentierproduktion im Ausland ja noch mehr ankurbeln – unter welchen Tierschutzbedingungen auch immer.»